Die Demokratie in der Praxis, Probleme
Alle unterschiedlichen Typen von Demokratie, die es derzeit gibt (partizipative, repräsentative, direkte und ihre Varianten), basieren auf der Gründung eines Staates, der das Leben in einer Gemeinschaft reguliert, koordiniert und kontrolliert in einem bestimmten Territorium. Man könnte zusammenfassend sagen, dass ein Staat gegründet wird, um uns gegen Angriffe der Natur und anderer Menschen zu verteidigen, sowohl außerhalb unserer Landesgrenzen als auch innerhalb. Zu diesem Zweck bedient sich der Staat einer Zwangsmacht, d.h. er setzt die Einhaltung seiner Prinzipien und Normen durch, indem er Gewalt androht oder gebraucht.
Der Staat, der sich legitimiert durch die Macht, die ihm die Bürger zugestanden haben, handelt auch als Schlichter und Richter im Fall von Konflikten und als Regulator in sogenannten „Marktversagen“. Genauer gesagt, geht es um staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, wobei sich der Staat immer selbst als Verteidiger des allgemeinen Interesses aufspielt, immer dann, wenn es unvermeidlich ist aufgrund von Umständen, auf die ich später im Text noch eingehen werde.
Karl Marx sagte: „Der Staat ist nicht das Königreich des Rechts, sondern der Macht, er ist nicht das Königreich des Allgemeinwohls, sondern von Teilinteressen, er hat nicht das Wohl aller zum Ziel, sondern derer, die die Macht haben; er ist nicht der Ausweg aus dem Naturzustand, sondern dessen Fortführung in einer anderen Form. Ganz im Gegenteil, der Ausweg aus dem Naturzustand wird das Ende des Staats bedeuten.
Mich überrascht, wie Marx so klar das Problem auf den Punkt bringen konnte, aber dann sich in seiner Lösung, mehr Staat, so absurd irren konnte, was vernichtende Konsequenzen für viele Gesellschaften hatte, die seine Ideale übernahmen. Das Adjektiv „absurd“ verwende ich nicht umsonst, denn es widerspricht jeglicher menschlicher Logik etwas zu kritisieren und als Lösung mehr davon anzubieten. Wenn wir zum Beispiel Alkohol als etwas Schädliches betrachten, entbehrt es jeder Logik, als Lösung anzubieten, mehr Alkohol zu trinken, unabhängig davon ob man es Kognac (Bürgertum) oder Wodka (Proletariat) nennt.
In der Mitte des letzten Jahrhunderts, hat man angefangen zunächst aufgrund der Arbeiten des schottischen Ökonomen Duncan Black und später vor allem mit Grundlage der Studien des Nordamerikaners James M. Buchanan, welche ihm 1986 zum Nobelpreis verhalfen, die Methoden der ökonomischen Studien auf die Politikwissenschaft anzuwenden, was als „Public Choice Theory“(Theorie der öffentlichen Wahl) bekannt wurde. Diese Schule studiert die politischen Prozesse in den entwickelten Gesellschaften mit einem demokratischen politischen System, ebenso wie das Verhalten der verschiedenen Beteiligten, die Wähler, die Politiker und die Bürokraten und Angestellten, indem sie die Werkzeuge der Volkswirtschaftslehre anwendet.
Beabsichtigt war herauszufinden, unter der Annahme, dass der Markt (indem die Beteiligten ihre eigenen Interessen verfolgen) Schwächen hat, ob diese Schwächen mehr oder weniger schädlich für die Bürger sind als die vermeintlichen Vorteile von Markteingriffen durch den Staat (von dem man annimmt, dass er das Gemeinwohl verfolgt). Oder anders gesagt, man wollte Klarheit darüber, ob das Heilmittel besser oder schlechter als die vermeintliche Krankheit ist.
Sie zeigen folgende fünf Probleme auf:
1. Die rationale Ignoranz der Wähler.
Sie ist das Resultat aus der Ansicht der Wähler, dass Ihre Stimme irrelevant sei und die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Stimme in einer Wahl entscheidend sei, wäre praktisch gleich null. Die Theoretiker kritisieren nicht, ob die Leute wählen gehen oder nicht, sondern stellen lediglich fest, dass die Leute nicht rational wählen, ohne Sachkenntnis, dadurch dass die Mehrheit der Bürger den Vorteil einer Wahl mit Sachkenntnissen als so irrelevant empfinden, dass sie denken, dass es sich nicht lohnt, enorme Kosten und Anstrengungen auf sich zu nehmen und alle Wahlprogramme der unterschiedlichen Parteien (ihre Bedeutungen, die Profile der unterschiedlichen Kandidaten, eine Studie über die unterschiedlichen Wirtschaftstheorien etc.) zu studieren. Genauer gesagt, rentiert es sich nicht für den Wähler höhere Kosten in Kauf zu nehmen, denn er empfindet nicht, dass er hinterher einen Vorteil erlangen kann, dadurch dass er das Wahlergebnis entscheidend beeinflussen könne.
Den Theoretikern der öffentlichen Wahl gelingt es bisher nicht, den Grund auszumachen, aus dem Menschen wählen gehen, vielleicht ist der Grund, dass wir Wähler es als unsere „demokratische Verpflichtung“ sehen oder vielleicht einfach nur zur Unterhaltung. Da die Wahlen ja nicht sehr häufig stattfinden, erfüllt es uns schon mit einer gewissen Emotion und Befriedigung, wenn wir an einem demokratischen Prozess teilhaben und somit unsere Präferenzen zum Ausdruck bringen können. Jedenfalls wählt man hauptsächlich aus Gründen der Zugehörigkeit, aus Affekt oder aufgrund eines Bauchgefühls aber ohne allgemeine Regel oder aus rationalen Gründen.
– Persönliche Meinung:
Das ist keineswegs eine wissenschaftliche Studie, aber ich habe den Eindruck, dass sich das Problem der irrationalen Wähler, anstatt dass es sich mit zunehmendem Alter der Wähler, die somit mehr Kenntnisse, Erfahrungen und ein höheres Maß an Bewusstsein erworben haben, vermindern würde, sogar verschlimmert. Denn viele der Jugendlichen verfügen über einen kritischen Geist, der sich mit dem Alter verliert. Wenn man jung ist, ist man in der Regel offener Neues zu lernen und es ist leichter, die Meinung zu ändern. Wenn wir älter werden, vielleicht als Folge des „Weisheitssyndroms“, hören wir Andersdenkenden nicht mehr zu und schaffen uns sozusagen ein Wahrheitsmonopol. Wie schon Bertrand Russel sagte: „Die meisten Schwierigkeiten, denen wir begegnen, sind darauf zurückzuführen, dass die Welt voller selbstsicherer Ignoranten und zweifelnder Intelligenter ist.“
2. Interessensgruppen und Lobbys
Es handelt sich dabei um relativ kleine Gruppen aus natürlichen oder juristischen Personen mit sehr konkreten Interessen wie, zum Beispiel, das Zugeständnis von Unterstützungen, Subventionen, Steuerbefreiungen oder jede andere Art von Privilegien von Seiten des Staates mit großen Vorteilen für sie und geringen Kosten für die Bürger im Allgemeinen, dadurch dass die Kosten auf die ganze Bevölkerung umgelegt werden, “benefitsareconcentratedwhilecostsarediffused” (Buchanan). Das Phänomen der gebündelten Vorteile und verwässerten Kosten hat bereits unsere liebe Lola Flores klar erkannt: „Wenn mir jeder Spanier eine Pesete geben würde….könnte ich damit meine Schulden begleichen. Na ja, schade für „die Pharaonin“, dass Sie keine gute Lobby hat…
Um den Betrug zu verschleiern argumentieren die Regierenden, dass das Zugeständnis der Leistungen oder Subventionen an eine bestimmte Interessensgruppe dem Gemeinwohl diene oder uneigennützig und gerechtfertigt sei. Diese Privilegien oder Gefallen für die erwähnten Gruppen von Seiten des Staates werden in der Regel in Form von wirtschaftlichen Beiträgen für Wahlkampagnen, Provisionszahlungen, Stimmen, Führungspositionen (Drehtür), etc. zurückgezahlt. Das problematischste an dieser Politik ist, dass die Demokratie tatsächlich von Vornherein beschlagnahmt ist, denn bereits bei Regierungsantritt steht die Partei in der Schuld von vielen Interessensgruppen, die ihr zur Macht verholfen haben und von daher ist sie in ihrer Freiheit, dem Willen und der Bedürfnisse des Volkes zu dienen, eingeschränkt.
3. Unverbindliche demokratische Repräsentation
Das bedeutet in der Praxis so viel, wie der Regierung Blankoschecks auszustellen, was hervorruft, dass die Politiker keinen Anreiz haben, ihre Wahlversprechen einzuhalten.
So können wir beobachten, wie die Politiker während des Wahlkampfes alle möglichen Versprechungen machen und Interessensgruppierungen und potenzielle Wähler identifizieren um stimmen zu „kaufen“ oder zu gewinnen, aber sobald sie die Wahl gewonnen haben, haben sie keinerlei Verpflichtung mehr, ihre Wahlversprechen einzulösen oder machen sogar das Gegenteil von dem Versprochenen, das nennen wir unverbindliche Repräsentation. Mit einer kleinen geschichtlichen Gedächtnisübung können wir klar erkennen, dass ein Großteil der Wahlprogramme kaum und sogar systematisch nicht eingehalten worden ist. Damit der Betrug nicht ganz so offenkundig ist und die Politiker nicht als Lügner dastehen, was einen Ansehensverlust bedeuten und die Möglichkeit auf Wiederwahl schmälern würde, argumentieren die Politiker, wie bereits erwähnt damit, dass „sich die Umstände unvorhergesehener Weise geändert haben“ und „auch wenn es uns nicht gefällt, gibt es keine andere Möglichkeit“. Sie schrecken sogar nicht davor zurück, Angst zu kultivieren und gehen fast so weit zu sagen, dass wenn sie es nicht machen würden, die Menschheit zu Grunde gehen würde, nur um zu rechtfertigen, dass sie ihre Versprechungen nicht mehr umsetzen können.
4. Kurzsichtigkeit der Regierung
Politiker, die ihre Macht zur Schau stellen, tendieren fast ausschließlich zu solchen Methoden, die einen sofortigen Nutzen bringen und deren Kosten in der fernen Zukunft liegen, sie lehnen jedoch Entscheidungen ab mit unmittelbaren Kosten und Nutzen, die in ferner Zukunft liegen. Das liegt einerseits daran, dass der Regierende mangelndes Interesse oder Anreiz hat, das Land langfristig zu verbessern, da der zeitliche Horizont sehr kurz ist, genauer gesagt, bis zu den nächsten Wahlen. Andererseits liegt es daran, dass die Bevölkerung tendenziell sofortige Ergebnisse verlangt.
Es soll Leute geben, die der Meinung sind, dass Langfristigkeit irrelevant ist, unter ihnen der bereits verstorbene Ökonom John Maynard Keynes mit seinem bekannten Satz: „Auf lange Sicht werden wir alle tot sein“. Aber Tatsache ist, dass unsere Kinder und Enkelkinder noch eine Generation länger leben und die Früchte (und Schulden!) unseres Handelns ernten werden.
5. Bürokraten und Beamte
Auch wenn diese Beteiligten viel Kritik aus der Bevölkerung ernten, kritisieren die Vertreter der Schule der Theorie der öffentlichen Wahl nicht die Personen an sich, sondern das System und kommen zu dem Ergebnis, dass die Bürokraten und Beamten keine Anreize zu effizientem Handeln haben.
Das Hauptproblem ist, dass sich die öffentliche Verwaltung nicht in einem Umfeld des freien Wettbewerbs befindet, in dem es möglich wäre, eine wirtschaftliche Kalkulation mit Marktpreisen zu erstellen und in welchem Nutzen- und Kostenüberlegungen ausschlaggebend für Entscheidungen wären. Da kein Geld auf dem Spiel steht und kein Wettbewerbsdruck herrscht, sind unkontrollierte Tendenz zu Kosten- und Schuldenzunahme, kontinuierliche Erweiterung der Organisationsstrukturen, die Durchführung pharaonischer Bauvorhaben bei Konjunkturaufschwung, willkürliche Abstimmung per Fingerzeig und die Vervielfältigung bürokratischer Einrichtungen unvermeidbare Folgen von bürokratischem Verhalten.
Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass wenn eine Abteilung oder ein Ministerium nicht ihr komplettes Budget ausgibt, dieses „verschenkt“ ist, dadurch dass es an die Zentralverwaltung zurückgeht und das Budget für das nächste Jahr sehr wahrscheinlich um diesen Betrag gekürzt wird. Das führt dazu, zumal ein größeres Budget größere Macht bedeutet, dass die Beamten einen Anreiz haben, das Budget in jedem Fall auszugeben. Das Ergebnis aus all dem ist, dass heutzutage in den meisten EU-Ländern der Staat schon praktisch die Hälfte von dem frisst, was seine Volkswirtschaft produziert (BIP).
Der Beamte selbst hat im Gegensatz zu einem Arbeiter aus der Privatwirtschaft keine Anreize für Innovationen, Verbesserungen einzuführen oder Risiken in Kauf zu nehmen, da sie ja keinerlei Gegenleistung oder Vergütung dafür bekommen und auch nicht einmal ihren Arbeitsplatz riskieren. Ich wiederhole, dass diese Generalisierung keineswegs als persönliche Kritik an Beamten zu sehen ist, denn es sind Leute, die sich voll und ganz rational verhalten. Es handelt sich im Grunde genommen nicht um mangelndes Pflichtbewusstsein, das Problem ist das Anreizsystem, das auf die Dauer die Produktivität mindert.
Zu diesen fünf Punkten möchte ich gerne ein weiteres Problem hinzufügen, das bei einem Eingriff des Staates in die Wirtschaft auftritt:
– Einschränkung der Demokratie durch Veränderung der freien Wahl der Bürger und Konsumenten.
Durch einen staatlichen Zwangseingriff in den Markt werden die Vorlieben und Präferenzen der Konsumenten künstlich verändert und beeinträchtigt. Dadurch entstehen Verzerrungen und Ungerechtigkeiten, denn die freie Marktwirtschaft ohne Eingriffe hätte andere Entscheidungen getroffen. Wenn der Staat beispielsweise beschließt, bestimmte Firmen aus dem Agrarsektor zu subventionieren, sei es durch finanzielle Hilfen oder protektionistische Maßnahmen (Gebühren, Kontingente…) und sich als Verteidiger der Wirtschaft der Nation hinstellt, indem er vorbringt, dass sich diese Firmen andernfalls nicht am Markt behaupten könnten, nimmt er einerseits Ressourcen der Steuerzahler oder der Wirtschaftssektoren, in welchen das Land sehr wohl produktiv und daher nachhaltig ist, und andererseits bestraft er die Konsumenten, die sich aus freien Stücken aus allen zur Verfügung stehenden Produkten nicht für die Produkte der genannten Firmen entschieden haben, sei es aufgrund des Preises, der Qualität oder aus irgendeinem anderen Grund ethischer, moralischer Art etc..
In einer wirklich freien Marktwirtschaft haben die Konsumenten (Bürger) die tatsächliche Macht, dadurch dass sie durch ihren Konsum entscheiden, welche Firmen, Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt bleiben und welche verbessert werden müssen oder – ganz im Gegenteil – abgeschafft werden müssen.
In einer freien Marktwirtschaft ohne staatlich bewilligte Monopole, Sonderrechte oder sonstige Arten von Privilegien, würde keine Firma egal wie groß und mächtig sie ist, lang auf dem Markt bestehen, wenn sie kein Produkt oder keine Dienstleistung anbietet, die den Vorlieben und den Bedürfnissen der Konsumenten oder Bürger gerecht wird. Die großen Firmen interessiert der freie Wettbewerb in der Tat nicht. Für sie ist es viel rentabler, sich in kleinen Lobbys oder Interessensgruppen zu organisieren, um die Gunst der Politiker zu kaufen (protektionistische Politik, Subventionen, Steuerbefreiungen) und so wichtige Eintrittsbarrieren in ihre Wirtschaftssektoren zu schaffen und damit mögliche Konkurrenz durch neue Firmen zu vermeiden als fortlaufend viele Ressourcen in F+E, Ausbildung etc. investieren zu müssen. Es ist klar, dass eine solche freie Marktwirtschaft momentan nicht existiert, denn alle kapitalistischen freien Marktwirtschaften haben einen beträchtlichen Anteil an staatlichen Interventionen.
Die Vertreter der Schule der „Theorie der freien Wahl“ gelangen zu dem Ergebnis, dass das durch staatliche Eingriffe hervorgerufene Versagen viel gravierender ist als das eventuell in einer Privatwirtschaft eintretende Marktversagen (unvollkommener Wettbewerb, Externalitäten, etc.).
Fortsetzung folgt…
Dieser Artikel wurde von Jorge Pérez Montes verfasst und von Andrea Erhard vom Spanischen ins Deutsche übersetzt. Die Übersetzung wurde mit Hilfe von Mondo Agit (beglaubigte Übersetzung Spanisch) innerhalb der Initiative PerMondo ermöglicht.
Jorge Pérez Montes
Mitglied der Partei der Individuellen Freiheit
www.p-lib.es
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